Veranstaltung: | Kreismitgliederversammlung KV Heilbronn 23. Juni 2025 |
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Tagesordnungspunkt: | 3. Anträge |
Antragsteller*in: | Jürgen Winkler (OV Zabergäu) |
Status: | Abstimmung |
Verfahrensvorschlag: | Abstimmung |
Antragshistorie: | Version 2 |
Diskussion Stand Notfallversorgung Brackenheim
Antragstext
Resolution KV HN Bündnis 90 / die Grünen
Der KV HN Bündnis 90 /die Grünen fordert den Landesvorstand, die Landesregierung
und das Sozialministerium hiermit auf, die KVBW im Rahmen der bestehenden
Rechtsaufsicht anzuweisen den Abschluss des neuen Gesetzgebungsverfahren mit der
Einarbeitung der Koalitionsvereinbarungen abzuwarten und dessen Möglichkeiten
für den ländlichen Raum zu evaluieren, die Schließungen der Notfallpraxen
umgehend einzustellen, um mit den betroffenen Kommunen Alternativen zu
erarbeiten und einvernehmliche Lösungen im Sinne der gesamten Bevölkerung zu
suchen!
Notfallpraxen in Baden-Württemberg, „Reform“ der KVBW mit einem umfassenden
Schließungskonzept
Der Notdienst soll sicherstellen, dass Patientinnen und Patienten auch außerhalb
der regulären Praxiszeiten (sog. „sprechstundenfreie Zeiten“) medizinisch
versorgt werden, wenn eine zeitnahe ambulante vertragsärztliche Behandlung
indiziert ist.
Dies gelingt in BW mit den jetzt existieren Notfallpraxen bereits nur
unvollständig, da die KVBW die Öffnungszeiten der Notfallpraxen sukzessive
eingeschränkt hat , die sie jetzt per „New Speak“ in „Allgemeinärztliche
Vertretungspraxen“ umbenennt.
Seit September 2024 wurde die vertraulich kommunizierte „Reform“ öffentlich.
In Brackenheim hatte sich Janine Pawlik spontan zu einer überparteilichen Online
- Petition entschlossen.
In einer Gruppe, die sich spontan überparteilich gegründet hat wurde diese
Petition im Zabergäu intensiv beworben. Es konnten in kurzer Zeit über 10 000
Petenten geworben werden. Die Petition wurde in Stuttgart direkt dem
Petitionsausschussvorsitzenden übergeben. Im Landtag wurde die Initiative von
den Fraktionen und einzelnen Fraktionsvorsitzenden als große Unterstützung
begrüßt, darum gebeten weiter am Ball zu bleiben.
Zuvor hatte bereits vor dem Sitz der KVBW eine Demonstration mit
Oberbürgermeistern und Bürgermeistern der betroffenen Kommunen in Stuttgart
stattgefunden. Dabei waren die Aussagen der Verwaltungschefs klar, die von einer
Zerschlagung funktionierender Strukturen sprachen. Und von einer
unabgesprochenen Vorgehensweise der KVBW.
Am 18. Oktober, noch vor der Demonstration, schrieb OB Arnold, Ettlingen,
bereits: „Frau Reinhard ist mit viel Ignoranz und Arroganz gesegnet. Tatsächlich
wird sie am Montag das „Konzept“ als schon beschlossene Sache vorstellen.
Die Petition wurde zwischenzeitlich vom Petitionsausschuss in Stuttgart leider
mit 12:8 Stimmen abgelehnt, aber mit einer bemerkenswerten Anzahl von
Gegenstimmen!
Bei der Demonstration in Stuttgart waren aus den betroffenen Standorten Busse
mit über 400 Teilnehmern angereist. An Standorten mit Notfallpraxen wurden
weitere Petitionen gestartet und Unterschriften vor Ort gesammelt.
Aktivitäten, die eine breite Unterstützung in der Bevölkerung erfahren haben:
Demonstration von 400 Teilnehmern vor der Kassenärztlichen Vereinigung in
Stuttgart am 21.10.2024 bei deren Tagung und deren Beschluss zur Schließung der
Notfallpraxen.
Organisiert von Joachim Esenwein in Zusammenarbeit mit OB Arnold Ettlingen unter
Beteiligung OBs, BMs und Einwohner aus Kirchheim Teck, Müllheim, Bad Saulgau,
Nagold, Calw, Eberbach, Zabergäu(Brackenheim), Backnang.
Petition im Zabergäu mit über 10 000 Unterschriften. Am 07.11.2024, 14.45 Uhr
Übergabe der Petition am Landtag an den Vorsitzenden des Petitionsausschusses.
Durch die Aktivitäten wurden weitere Petitionen initiiert. Insgesamt summierten
sich Unterschriften auf deutlich über 160 000. Eingerechnet sind über 20 000
Unterschriften, die die SPD eingesammelt hat.
Lokale und regionale Aktivitäten
Intensiver Austausch des Vorsitzenden des Fördervereins Gesundheitsversorgung
Zabergäu und Umgebung, Rolf Kieser, mit der stellvertretenden Vorsitzenden der
KVBW. Ebenfalls Schreiben der Landräte und BM des Zabergäus. Das Positionspapier
des Fördervereins wurde auch von Stadträten und Gemeinderäten des Mittleren und
Oberen Zabergäus unterzeichnet. Die stv. Vorsitzende erweist sich als
unbeeindruckt.
In den Notfallpraxen selbst taucht sie nicht auf.-
In Brackenheim stellt sich eine besondere Situation dar.
Die Schließung des Kreiskrankenhauses wurde durch Kreistagsbeschluss erreicht,
weil u.a. ein Versprechen zur Sicherstellung der Notfallpraxis in Brackenheim
als Modell und Vorzeigeprojekt vorgesehen und umgesetzt worden ist. Gleichzeitig
stehen auch die Kreistagsabgeordneten mit Ihren Beschlüssen und den hierin zum
Ausdruck kommenden Verpflichtungen zur medizinischen Grundversorgung der
Bevölkerung, zusammen mit SLK und Landrat in der Pflicht. Die aus den
Beschlüssen heraus bestehende Verpflichtung des Notfallpraxisbetriebs im neu
gebauten Gesundheitszentrum wurde bereits mehrmals gegenüber der stv.
Vorsitzenden der KVBW adressiert. Mehrfach antwortete Dr. Doris Reinhardt
hierauf mit „Versprechen hätten keinen Ewigkeitscharakter.“ Die verheerende
politische Wirkung war und ist ihr nicht bewusst.
In der ersten Runde der Schließungen von 8 Notfallpraxen argumentierte die KVBW
mit dem Beschluss des Bundessozialgerichts zu einem im zahnärztlichen Notdienst
als Poolarzt tätigen Mediziner, dessen freiberufliche Tätigkeit einer
richterlichen Bewertung nicht stand hielt, und der sozialversicherungspflichtig
beschäftigt werden müsse. Obwohl der Vorsitzende des Gerichts betonte, dass
dieses Urteil nicht 1:1 auf den allgemeinärztlichen Notfalldienst übertragbar
sei, schloss die KVBW über Nacht die 8 Praxen mit genau dieser Begründung. Die
KVBW formuliert ihr Bestreben nun neu damit, dass nur durch Schließung der
Notfallpraxen und mit der „Reform“, dem Sicherstellungsauftrag nachzukommen sei.
Die Begründung liegt jetzt v.a. im bestehenden und kommenden Ärztemangel.
Im neuen Koalitionsvertrag steht die schnelle gesetzliche Regelung für die
Sozialversicherungsfreiheit der Poolärzte, sowie die „Sicherstellung der Grund-.
und Notfallversorgung der Menschen“ mit dem „Ermöglichen von „Ausnahmen und
erweiterten Kooperationen besonders im ländlichen Raum“.
Dies unterstreicht die Forderung an die KV, einer gesetzlichen Regelung nicht
vorzugreifen.
Dass die Begründung mit dem Ärztemangel nicht nur in Brackenheim nicht greift,
wird aus den Mitteilungen der Notfallpraxis Brackenheim ersichtlich. 10 Prozent
der Ärzte sind im Bereitschaftsdienst aktiv. Ruhestandsärzte, auch neu
hinzukommende, sind weiterhin interessiert. Es gibt nur eine geringe
Fluktuation! Im Verein, der die Notfallpraxis organisiert, sind 120 Ärztinnen
und Ärzte Mitglieder.
Eine Kundgebung fand am 08.Februar in Brackenheim mit ca. 2500 Teilnehmern
statt. Initiiert wurde sie von Joachim Esenwein unter Mitarbeit eines Teams aus
parteiübergreifenden Gruppen. Der Bürger-Union Güglingen, der CDU des
Stadtverband Brackenheim, der Grünen Zabergäu, der SPD Zabergäu, den Grünen, der
Liste 21 Brackenheim und weiteren Unterstützern im Zabergäu. Eingeladene Redner
waren: BM Csaszar, Brackenheim als Hausherr und Betroffener der
Standortgemeinde, OB Deuschle Waghäusel, dort wurde die Notfallpraxis mit der
BSG-Urteilsbegründung geschlossen, Florian Wahl, SPD, Vorsitzender des
Sozialausschusses im Landtag, Dr. Preusch, CDU, Landtagsabgeordneter des
Wahlkreises, Erwin Köhler, Die Grünen, Landtagsabgeordneter des Wahlkreises,
Joachim Esenwein, Fraktionssprecher Bürger-Union für die Gruppe der Engagierten.
Die Aktivitäten wurden mit
20 000 Flyern, über FB, Instagram, WhatsApp- Gruppen und persönlichen Austausch
beworben.
Auf FB wurden die Informationen bis zu 100 000 mal gesehen.
Am 03. März sind die Eilanträge und Klagen von 13 Kommunen beim Sozialgericht
eingegangen und angenommen worden. Auch hier hat die Initiativgruppe die Städte
Brackenheim und Güglingen zur Klagebereitschaft und zur Unterstützung der Klage
aufgefordert und ermutigt.
Dass dies gelungen ist macht Hoffnung. Die einstweilige Verfügung wurde vom
Sozialgericht in Stuttgart vorläufig abgelehnt und auf eine Hauptverhandlung
verwiesen! . Inzwischen gehen 15 Kommunen ins Hauptsacheverfahren, das ist ein
Statement.
Klar ist, wir dürfen hierbei nicht stehen bleiben, denn die KVBW handelt gegen
die Interessen der Bürgerschaft. Dass durch die Schließungen zusätzliche
Belastungen in den schon häufig am Limit arbeitenden Notaufnahmen der Kliniken
registriert werden, und der Rettungsdienst gleichermaßen zusätzlich belastet
ist, berichten leitende Ärzte der Notaufnahme und die Rettungsdienste. Im
Sozialausschuss des Landtages hatte die stv. KV-Vorsitzende betont, dass die
Player durch die „Reform“ nicht zusätzlich belastet werden.
Dass wir nicht nur für Brackenheim sprechen, sondern auch in Solidarität mit den
betroffenen Notfallpraxen und Ihren Standortgemeinden handeln, ist für uns
selbstverständlich Dennoch möchten wir zur Notfallpraxis Brackenheim einige
weitere Aspekte anmerken.
Durch die Initiativen wurde die AFD klein gehalten. Die Brandmauer steht von
allen zusammen.
Im Land wurde die politische Ausstrahlung der Handlungen der KVBW durch Sozial-
und Gesundheitsminister Lucha völlig unterschätzt.
Das Thema wird auch im Landtagswahlkampf eine bedeutende Rolle spielen. Wir
sollten weiterhin informierend aktiv sein, nochmals zusätzlich aktiv werden,
wenn Frau Dr. Reinhardt ins Zabergäu kommen wird.
Die von der KV angebotenen Alternativen und Ersatzlösungen (zentrale
Telefonnummer, Telemedizin, Fahrdienste, usw.) sind noch nicht einsatzfähig und
werden sicherlich vorerst auch nicht so funktionieren, dass sie entlasten
können. Das telemedizinische Angebot der KVBW schließt bereits um
23.00 Uhr, das ist unbefriedigend. Statistisch betrachtet, können knapp 20 000
Menschen des Stadt- und Landkreises das Angebot nicht nutzen, weil sie
„Offliner“ sind. Die SLK HN hat eindeutig erklärt, dass sie nicht über die
räumlichen und personellen Kapazitäten verfügt, die jährlichen 6000 – 8000
Patienten aus Brackenheim aufzufangen.
Dieses Vorgehen und die Schließung der Notfallpraxis ist ein schwerer Schlag für
die Region und den gesamten ländlichen Raum. Dadurch wird nur die AFD gestärkt,
sondern es werden auch unsere eigenen Wahlchancen 2026 gemindert!
Der KV HN Bündnis 90 /die Grünen fordert deshalb den Landesvorstand, die
Landesregierung und das Sozialministerium hiermit auf, die KVBW im Rahmen der
bestehenden Rechtsaufsicht anzuweisen den Abschluss des neuen
Gesetzgebungsverfahren mit der Einarbeitung der Koalitionsvereinbarungen
abzuwarten und dessen Möglichkeiten für den ländlichen Raum zu evaluieren, die
Schließungen der Notfallpraxen umgehend einzustellen, um mit den betroffenen
Kommunen Alternativen zu erarbeiten und einvernehmliche Lösungen im Sinne der
gesamten Bevölkerung zu suchen!
Begründung
Die geplante Maßnahme stößt auf deutlichen Widerstand vor Ort. Der Eindruck, dass Entscheidungen über Köpfe hinweg getroffen werden, schwächt das Vertrauen in die Politik insgesamt und in unsere Partei im Besonderen. Gerade mit Blick auf die anstehende Landtagswahl muss sichergestellt werden, dass unsere Partei als Vertreterin bürgernaher Politik auftritt. Das bedeutet auch, dass innerparteiliche Meinungsunterschiede transparent ausgetragen werden und nicht unter organisatorischen Argumenten der Kassenärztlichen Vereinigung übergangen werden.
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